Vor kurzem wurde ich mal wieder nachts von nervenaufreibenden Spasmen in meinen Waden verfolgt. Bald, nachdem ich ins Bett gegangen war, fingen auch schon meine Beine unwillkürlich zu zucken und zappeln an. An Schlafen war nicht mehr zu denken. Ich war todmüde, musste aber trotzdem aufstehen und irgendetwas tun. Eine heiße Dusche half nicht wirklich, genauso wenig, meine Waden zu massieren, auf und ab zu humpeln, Magnesium zu nehmen, auf der kalten Terrasse frische Luft zu holen. Ich merkte wie angespannt meine Gesichtsmuskeln waren in Erwartung des nächsten Krampfes. Ich konnte deutlich fühlen, wie sich ein Krampf im gerade betroffenen Bein allmählich aufbaute und schließlich auf einen Schlag entlud. Um das alles noch zu toppen musste ich immer wieder pieseln, aufgrund einer hartnäckigen Blaseninfektion, und ich hatte in Kürze drei, vier Windeln aufgebraucht. Himmel nochmal, ich hatte von alledem derart genug! Ich konnte es nicht ausstehen, alle 15, 20 Minuten diese Windeln zu wechseln, und gleich danach zuckten die Beine wieder.
Trotzdem kam mir auch immer wieder ein guter Gedanke oder Satz in den Sinn, wie „Heilung“ oder „Frieden in meinen Beinen und in der ganzen Welt“ oder „Danke für meine Gesundheit“. Und ich konzentrierte mich dann auch auf diese guten Absichten. Bis mich das nächste Zucken oder die nächste Pinkelattacke wieder davon abbrachten.
Dann fiel mir ein Wunderwirkendes Heilungsgebet von Nouk Sanchez ein. Hier ist es an einem Stück:
„Heiliger Geist, mein Glaube daran, dass ______(Thema oder Krankheit oder Problem)_____wirklich ist, verursacht, dass ich mich angegriffen fühle und mich dagegen verteidige. In meiner Verteidigung bin ich allein, in meinem Gewahrsein abgeschnitten von Deiner Liebe und wahrer Heilung. Aber die Wahrheit ist, Deine Liebe und Heilung ist alles, was ist. Es gibt nichts außer Deiner Liebe.
Ich erkenne: indem ich wähle, an diese Angst zu glauben, lehne ich Deine Liebe und Heilung ab. Und ich verteidige mich vor Deiner Liebe, Deiner Freude und Deinem Frieden. Jetzt entscheide ich mich, meine Sorgen und Ängste zu Dir zu bringen, Heiliger Geist, damit wir sie gemeinsam ansehen können. Gemeinsam sehen wir meine Liste der Abwehr an. Ich bitte Dich, Deine Liebe in meinen Geist zu leuchten und diese Ängste neu für mich zu interpretieren. Reinige sie und verwandle sie in Bereiche der Heilung und Inspiration.
Ich akzeptiere, das einzige, was ich dabei zu tun habe, ist:
1) Ich lade Dich ein, diese Ängste und Urteile mit mir gemeinsam anzusehen. Während wir das tun, werde ich weder über mich selbst noch über jemand anderes urteilen; stattdessen werde ich einen Raum von komplettem Nicht-Urteil offenhalten, damit Du den mit Liebe und Heilung füllen kannst.
2) Während ich alles ansehe, sage ich ehrlich gemeint: „Obwohl dies ein Problem zu sein scheint und trotz irgendwelcher Gefühle von Angst, Beklemmung, Wut, Schuld oder Zweifel, die ich haben mag, öffne ich mich jetzt, in diesem Augenblick, dafür, durch das Wunder Heilung zu empfangen. Ich nehme diese Heilung an. So soll es sein. Amen.“
Aus THE END OF DEATH von Nouk Sanchez, undoing-the-ego.org
Irgendwie versuchte ich, die Kernaussagen dieses Gebets in meiner Erinnerung zusammenzubekommen.
‚Okay, Heiliger Geist‘, dachte ich, ‚lass uns diesen Mist zusammen anschauen.‘ Nichts passierte. Aber zumindest hatte das, glaube ich, die Einladung an Ihn ausgedrückt.
Schließlich entschied ich, mich hinzulegen und zu versuchen, ein bisschen Ruhe zu finden, obgleich ich nicht daran glaubte, dass diese Spasmen oder die Pinkelattacken aufhören würden. Mit einer frischen Windel ausgestattet, ging ich zu Bett. Gleichzeitig tauchte die ehrliche, ernsthafte Frage auf: ‚Sag, was hat das alles zu bedeuten? Was ist der wirkliche Grund für dieses ganze Theater?‘
Erstaunlicherweise kam es dann irgendwie zu Entspannung in meinen Beinen, und ich merkte, dass ich einschlief.
Was folgte, war eine sehr ungewöhnliche Erfahrung. Ich wusste, dass ich schlief und trotzdem blieb ich wach und bewusst. Dann tauchten, wie als Antwort auf meine vorangegangene Frage, aus einer inneren Dunkelheit heraus Gestalten auf. Ein langsames, schweigsames Defilee von verschiedensten ungeliebten Schatten-Charakteren. Einige waren verstümmelt, manche verwundet, manche bedrohlich, manche apathisch, ein paar wenige sahen wie wolfsähnliche Tiere aus. Ich konnte sie alle ganz deutlich sehen. Ich war fasziniert. Angst war überhaupt keine spürbar, nur Faszination über diesen finsteren Aufmarsch.
Schließlich kamen, ich glaube, sieben Reiter in schwarzen Umhängen und Kapuzen auf mich zu. Sie sahen genauso aus wie die Schrecken verbreitenden Reiter aus „Der Herr der Ringe“. Der mittlere Reiter kam direkt auf mich zu, aber da ich wusste, dass es MEIN Traum war, gab es überhaupt keine Angst. Mit großem Interesse schaute ich direkt in die Kapuze dieses zentralen schwarzen Reiters hinein. Nichts als Dunkelheit war dort zu sehen. Als ich tiefer und tiefer in diese Dunkelheit hineinschaute, schlief ich ein.
Nach einer geruhsamen Nacht fand ich mich auf unserer kalten, winterlichen Terrasse wieder bei einem heißen Morgenkaffee und schmauchte eine selbstgedrehte Zigarette. Allmählich tauchte das Licht eines bewölkten, nebligen Tages auf. Ich hatte ein neues Paar Windeln an. Meine Pinkelimpulse hatten sich deutlich beruhigt, und Spasmen hatte ich gar keine mehr. Ich erinnerte mich an meinen wachen Traum über das finstere Defilee und auch an den Ausspruch von Jesus, in dem er sich selbst als die offene Tür bezeichnet. Die offene Tür. Ich glaube, das ist genau, was er für jeden von uns will. Dass wir offene Türen sind. Und keine verschlossenen Paläste oder Hütten.
Als ich später mit Nina, einer guten Freundin und Therapeutin, am Telefon über diesen wachen Traum sprach, erinnerte ich mich an ein Rumi-Gedicht, das ich für mein erstes Buch mit Rumi-Übersetzungen nach Coleman Barks ins Deutsche übersetzt hatte. Dieses Gedicht schien perfekt zu passen, um mein dunkles Defilee der vergangenen Nacht zu erklären:
Das Gasthaus
Ein Gasthaus ist dieses menschliche Dasein.
Jeden Tag eine Neuankunft.
Eine Freude, ein Kummer, eine Gemeinheit,
ein kurzes Achtsamsein
kommt als unerwarteter Gast.
Heiße alle willkommen und mach’s allen schön!
Auch wenn sie ein Haufen Leiden sind,
die dir brutal alle Möbel rausfegen.
Egal. Behandle jeden Gast mit Respekt.
Vielleicht schafft gerade er in dir Platz
für ganz neue Wonnen.
Dem dunklen Gedanken, der Scham, der Boshaftigkeit,
öffne allen mit Lachen die Tür
und lade sie ein, deine Gäste zu sein.
Sei dankbar für jeden, der kommt,
denn jeder wurde als Führer von oben geschickt.
Aus RUMI, „Die Musik, die wir sind“, Arbor-Verlag
Mittlerweile haben meine Blasenprobleme deutlich abgenommen, und meine nächtlichen Spasmen sind wenn, dann nur kurz. Überraschenderweise ist meine Gehfähigkeit auch noch einmal ein Stückchen besser geworden, nachdem sie sich bereits seit dem Sommer 2012 signifikant verbessert hatte. Nach 23 Jahren an zwei Krücken oder im Rollstuhl.
Gott und seinem lebendigen Heiligen Geist sei Dank!
Christoph Engen, 6. Februar 2014
www.wundersindkeinwunder.de
Ein tröstliches Erlebnis, das auf wunderbare Weise seinen Weg sich zu mir gebahnt und spürbar Wirkung entfaltet hat!
Erinnert mich im übrigen an so manche Erfahrung, die ich von Helen Schucman gelesen habe…
Herzliche Grüße
Hansjürgen Engel
Danke vielmals Hansjürgen!
Wie gesegnet wir immer sind!
Christoph